Grenzen
- Eine politische Grenze ist die Grenzlinie zwischen Staatsgebieten (Staatsgrenze, Bundesgrenze, in der Schweiz auch Landesgrenze), teilsouveränen Gliedstaaten und politisch-administrativen Verwaltungseinheiten.
- Durch zwischenstaatliche Grenzziehungen wird einerseits die territoriale Integrität eines Staates gegenüber seiner Nachbarschaft gesichert, andererseits dient sie zur exakten Definition des räumlichen Geltungsbereiches der staatlichen Rechtsordnung.
- Die Schweiz in ihrer heutigen Form entstand mit der Bundesverfassung von 1848.
- Die meisten Nationalstaaten sind jung. Die Mehrheit entstand im 19. Jahrhundert, weitere nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Zerfall von Österreich-Ungarn und des Osmanischen Reichs, weitere in Europa ab 1990 durch die Aufsplitterung der Sowjetunion und Jugoslawiens.
- Landesgrenzen sie sind willkürlich und abstrakt, aber sie prägen das Schicksal von Millionen von Menschen.
- Globalisierung und digitale Vernetzung stehen heutzutage Nationalismus und „Rückbesinnung auf nationale Werte“ gegenüber.
Schweiz und die EU
- Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sind durch verschiedene Abkommen geregelt.
Relevant für das Thema Asyl und Migration sind vor allem:
- Bilaterale I (2002): Personenfreizügigkeit, d.h. freie Wahl des Wohn- und Arbeitsortes innerhalb Europas für EU- und CH-BürgerInnen.
- Bilaterale II (2008): Schengen- und Dublin-Regelungen.
- Schengener-Abkommen: innerhalb des Schengen-Binnenraums entfallen die Grenzen. Auch Drittstaatsangehörige können sich innerhalb des Schengen-Raums relativ frei bewegen. Als ausgleichende Massnahmen wurden die Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen verstärkt („Festung Europa“) und die Zusammenarbeit von Polizei und Justizbehörden vereinfacht.
- Das sogenannte Dublin-System regelt, welcher Staat für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständig ist. Es soll ausserdem verhindern, dass Asylsuchende in andere Mitgliedstaaten weiter wandern und mehrmals einen Asylantrag stellen.
Grenzschutz
- 235 km: Dies ist die geschätzte Länge der Zäune um die Festung Europa (an den Grenzen zwischen Marokko und Spanien, der Türkei und Griechenland, der Türkei und Bulgarien sowie Serbien und Ungarn).
- Beispiel: Der nördliche Teil der griechisch-türkischen Landgrenze wird von Griechenland mit einem Zaun gesichert; die übrige Grenze erstreckt sich nahezu gänzlich entlang des Flusses Evros – die genaue Grenze verläuft in der Flussmitte. Die geschätzten Kosten des griechisch-türkischen Grenzzauns betragen 5 Millionen Euro. 207 Millionen Euro sind seit 2007 an Griechenland ausbezahlte Hilfsgelder aus dem EU-Aussengrenzenfonds. Diese Summe umfasst weder zusätzliche Mittel zur Notfallfinanzierung noch die nationalen Ausgaben für die Grenzkontrolle. Mit dem Bau des Zauns wurde Mitte August 2012 begonnen.
- Beispiel: Zaun zwischen der Türkei und Bulgarien (Teile der Landgrenze). Mit dem (noch nicht abgeschlossenen) Bau wurde im Januar 2014 begonnen. Zusätzlich dazu wurden neue Massnahmen zur Verstärkung der Grenzüberwachung eingeleitet – wie die Stationierung von 1.572 zusätzlichen Polizeibeamten und -beamtinnen und 141 geländegängigen Einsatzfahrzeugen. 130 km beträgt die geschätzte Länge des Grenzzaunausbaus, den Bulgarien bis Ende 2015 an der bulgarisch-türkischen Grenze fertigstellen will. 38 Millionen Euro: Zwischen 2010 und 2014 an Bulgarien ausbezahlte Gelder aus dem EU-Außengrenzenfonds. Diese Summe umfasst weder zusätzliche Mittel zur Notfallfinanzierung noch die nationalen Ausgaben für die Grenzkontrolle.
Frontex
- Zur Koordinierung der operativen Zusammenarbeit und zur Unterstützung der Grenzkontrollen wurde im Jahr 2004 die EU-Agentur Frontex gegründet.
- Schweizer Beitritt zu Frontex: 2009.
- Die Frontexkosten für die Schweiz sind von 4,5 Mio. Fr. im Jahr 2014 auf 12,4 Mio. Fr. im Jahr 2017 angestiegen.
- Der Etat von Frontex ist innert zehn Jahren von 6 auf 90 Millionen Euro geklettert.
- Seit März 2015 ist die Schweiz eingebunden in das „European Border Surveillance System“ zur Überwachung der 15’000 Kilometer langen Aussengrenzen des Schengen-Raums mit neuster Technologie und Datenvernetzung.
- Eurosur (englisch European Border Surveillance System, deutsch Europäisches Grenzüberwachungssystem) ist ein Überwachungssystem der Europäischen Union, bei dem Drohnen, Aufklärungsgeräte, Offshore-Sensoren, hochauflösende Kameras und Satellitensuchsysteme eingesetzt werden, um die illegale Einwanderung in die EU-Mitgliedsländer zu überwachen. Der Beginn des Programms wurde vom Europaparlament am 10. Oktober 2013 beschlossen. Am 2. Dezember 2013 wurde das System zunächst in 18 EU-Staaten und Norwegen gestartet.
- Das 1,4 Milliarden Euro schwere Massnahmenpaket „Intelligente Grenzen“ („Smarter Borders“) der EU von April 2016 ist direkt mit Eurosur verknüpft. Damit werden im Schengen-Raum ein Ein- und Ausreisesystem (EES) sowie ein Registrierungsprogramm für Reisende (RTP) eingeführt. Das Ziel: die illegale Einwanderung eindämmen und den Grenzübertritt für erwünschte Ausländer beschleunigen.
- Hightech-Grenzüberwachung wird zum Standard: Bilder und Daten von Aufklärungs- und Ortungsgeräten, Satelliten, Radaren und Drohnen verschaffen europaweit in Echtzeit einen Überblick über „verdächtige Bewegungen“ und „problematische Menschenströme“ an der Grenze.
- Ziel: die illegale Einwanderung eindämmen und den Grenzübertritt für erwünschte Ausländer beschleunigen.
Sterben an den Grenzen
- Seit 2014 sind über 10‘000 Menschen im Mittelmeer gestorben. Die geschätzten Zahlen liegen für 2014 bei 3‘500, für 2015 bei 3‘771 und für 2016 bei 5‘082 Menschen.
- Somit war 2016 das tödlichste Jahr im Mittelmeer. Gründe dafür sind die strengere Überwachung der Grenzen bzw. auch das Dichtmachen der Grenzen wie im Fall von Ungarn, so dass sich die Migrationsrouten wieder über gefährlichere Wege über das Mittelmeer verlagern. Aber auch skrupellose Schleuserringe, die sich die Rettungssysteme zunutze machen, indem sie in noch kleineren und seeuntauglichen Booten mehr Menschen zu noch höheren Preisen reinquetschen, im Wissen, dass sich draussen im Meer die Rettungstruppen kümmern werden, da diese nach internationalem Seerecht verpflichtet sind, Seenothilfe zu leisten.
Durch den Ausbau der Festung Europa werden grundlegende Menschenrechte verletzt
- Europa setzt einer wachsenden Zahl von Schutzsuchenden Grenzzäune und Abschreckungsmassnahmen entgegen und setzt auf Drittstaaten als «Torwächter». Für die Flüchtlinge ist das lebensgefährlich, und ihre Rechte werden mit Füssen getreten. Das dokumentiert Amnesty International im Bericht «Angst und Abschottung: Wie Europa sich die Flüchtlinge vom Hals halten will».
Rechte, die durch den repressiven Grenzschutz verletzt werden:
- Recht auf Leben
Festgehalten in: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, EMRK, Pakt II über zivile und politische Rechte, Charta der EU u.a.
- Recht auf Freiheit und Sicherheit
Festgehalten in: EMRK, Pakt II über zivile und politische Rechte u.a.
- Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
Festgehalten in: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, EMRK u.a.
- Das Recht, jedes Land, einschliesslich seines eigenen, zu verlassen
Festgehalten in: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Pakt II über zivile und politische Rechte - Das Recht, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen und gewährt zu bekommen
Festgehalten in: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Flüchtlingskonvention
- Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf
Festgehalten in: EMRK u.a.
- Verbot kollektiver Abschiebung
Festgehalten in: EMRK u.a.
- Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht (Non-Refoulement-Prinzip)
Festgehalten in: EU-Charta, Flüchtlingskonvention, Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe u.a.
Literatur
- Amnesty International: Europas Grenzschutzpolitik bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr. Medienmitteilung vom 17.11.2015.
- Amnesty International: The human cost of Fortress Europe: human rights violations against migrants and refugees at Europe’s borders. 9.7.2104.
- Das tödliche Geschäft mit den Flüchtlingen. faz, 21.11.2016.
- EU pumpt Milliarden in Überwachung – die Schweiz zahlt brav mit. BZ Berner Zeitung, 3.3.2015.
- Europäische Union und die Flüchtlinge: 10.000 Tote seit 2014 im Mittelmeer. Der Tagesspiegel, 7.6.2016.
- International Organization for Migration: Global Migration Trends Factsheet.
- Schengen/Dublin und die Schweiz. Online unter www.fluechtlingshilfe.ch.
- Schweiz soll sich an Schutz der EU-Aussengrenzen beteiligen. Blick, 12.10.2016.
- Schweiz zahlt das Doppelte für Frontex-Einsätze. Tagesanzeiger, 11.08.2016.
- Staatsgrenzen. Online unter www.laenderdaten.de.
- UNHCR: 2016 ist tödlichstes Jahr im Mittelmeer. Online unter www.unhcr.de.
- Übersicht bilaterale Abkommen auf www.eda.admin.ch.
- Vom Sinn und Unsinn der Grenzen. NZZ, 4.2.2016.
Redaktion: Magdalena Urrejola Balçak und Natalie Marty. Grafiken: Kollektiv fluchtpunkt Innenarchitektur & Szenografie