Rohstoffhandel als Ursache für Flucht und Migration
- In der Schweiz ansässige Unternehmen kontrollieren 15-25% des Rohstoff-Welthandels. Das macht die Schweiz im internationalen Vergleich zu einer Rohstoffhandels-Grossmacht.
- Der Handel mit fossilen Energiestoffen, Erzen/Mineralien und natürlichen Ressourcen ist ein Geschäft mit einem Gewinnertrag von 3‘000 Milliarden US $.
- Zwei Drittel aller Energie- und Metall-Ressourcen und ein Grossteil der Agrarrohstoffe werden in Entwicklungsländern und Ländern mit kritischer oder sehr kritischer politischer Stabilität („fragile states“) gefördert.
- In vielen rohstoffreichen Entwicklungsländern leben 300 Millionen Menschen in Armut, d.h. von maximal 2 Dollar pro Tag.
- Sechs der zehn umsatzstärksten Schweizer Unternehmen sind Rohstoffkonzerne.
- Mindestens 20% des globalen Rohstoffhandels läuft über die Schweiz.
- Das Vermögen der sechs Top-Manager von Glencore lag beim Börsengang 2011 höher als das jeweilige Bruttoinlandsprodukt der 96 ärmsten Länder der Welt im selben Jahr.
- Käme der Rohstoff-Reichtum effektiv der Bevölkerung in Entwicklungsländern zugute, könnten bis 2030 gegen 540 Millionen Menschen den Weg aus der Armut finden.
- Die Rohstoff-Branche und ihre Firmen stehen in der Kritik wegen ihrer mit Abbau und Handel verbundenen Arbeitsbedingungen, Umwelt- und Gesundheitsrisiken sowie Steuervermeidung und Steuerflucht in Richtung Finanzplätze des Nordens.
- Unter dem „Rohstoff-Fluch“ leiden sehr viele rohstoffreiche Länder: Trotz oft jahrzehntelangem Rohstoff-Abbau gelingt es ihnen nicht, wirtschaftliches Wachstum zu erzielen, ausreichende Staatseinnahmen zu generieren und mit einer entsprechenden Politik die Armut zu überwinden. Vielmehr sind zerrüttete Institutionen, Umweltzerstörung, prekäre Arbeitsbedingungen und ein massiver Kapitalabfluss in Richtung Finanzplätze im Norden weit verbreitet.
- Rohstoffe wie Tantal, Gold und Wolfram sind eine Grundlage industrieller Produktion, einige werden für elektronische Geräte genutzt. Ein Grossteil dieser Rohstoffe wird im Globalen Süden abgebaut und im Globalen Norden verarbeitet.
- In einigen Ländern finanziert der Rohstoffhandel bewaffnete Konflikte.
- Der Rohstoffabbau geht oft einher mit negativen menschenrechtlichen Auswirkungen: Aussergerichtliche Hinrichtungen von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, großflächige Zwangsvertreibungen, Kinderarbeit, Kontaminierung von Land- und Wasserressourcen, die Verletzung von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten sowie Gewalt privater Sicherheitsfirmen gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern und der lokalen Bevölkerung. Dies sind die häufigsten Ursachen für Flucht und Migration.
Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch den Westen am Beispiel der Fischerei in Senegal
- Der Fischereisektor bietet Beschäftigung für über 600.000 Personen, etwa 17% der erwerbstätigen Bevölkerung. Kleine Fischereien tragen etwa 3% zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei.
- Fisch ist eine wichtige Quelle für Protein und Ernährung in Senegal, die etwa 43% der tierischen Proteinversorgung liefert.
- Aufgrund der illegalen, nicht gemeldeten Fischereitätigkeiten durch ausländische Flotten (EU, China und Russland sind Senegals Fischer arbeitslos. Tausende fliehen, ihrer Lebensgrundlage beraubt, nach Europa.
- Durch den illegalen Fischfang verliert Westafrika etwa 1,2 Milliarden Euro – pro Jahr. Für Entwicklungsländer wie dem Senegal eine wirtschaftliche Katastrophe.
Flüchtlinge in Zahlen und die Gründe
- 65,6 Mio. Menschen befanden sich 2015 weltweit auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Hunger oder Naturkatastrophen (siehe Faktenfiche 6). Das sind so viele, wie noch nie. Die Zahl der MigrantInnen wird auf ca. 240 Mio. Menschen weltweit geschätzt. Die meisten von ihnen bewegen sich in und zwischen den armen Ländern des Globalen Südens.
- Vertreibungen aufgrund von Konflikten: 2015 kam es in 28 Länder zu 8,6 Millionen neuen Vertriebenen.
- Zurzeit nehmen Vertreibungen im Nahen Osten (Syrien und Irak) und Nordafrika (Jemen, Südsudan) stetig zu.
- 19,3 Millionen Menschen wurden im Jahr 2014 durch Katastrophen in 100 Ländern vertrieben.
- 19,2 Millionen neue Vertriebene aufgrund von Naturkatastrophen in 113 Ländern im Jahr 2015.
- Süd- und ostasiatische Länder trug die Hauptlast. Indien, China und Nepal machten die höchsten Zahlen aus.
- Ein relativ neues Phänomen sind die Klimaflüchtlinge: Menschen, die auf der Flucht sind, weil sie in ihrer Heimat aus naturbedingten Gründen nicht mehr leben können. Zurzeit sind vor allem Entwicklungsländer, Küstenregionen sowie kleine Inselstaaten von Wüstenbildung oder Dürre, Überflutung, Küstenerosion oder der Anstieg des Meeresspiegels betroffen.
- Der größte Teil (90%) der Migrationsbewegungen infolge von Umweltveränderungen findet national bzw. regional begrenzt und seltener über nationale Grenzen hinweg statt.
- Wenn Menschen ihre Heimat aufgrund der unmittelbaren Folgen des Klimawandels verlassen, dann bewegen sie sich meist innerhalb ihrer Heimatländer oder zwischen den Nachbarländern. Man spricht deshalb auch von „trapped populations“ („gefangene Bevölkerung“).
- Nichtsdestotrotz ist die zunehmende Migration aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa unter anderem auch eine Folge von tiefgreifenden Umweltveränderungen in der Sahelregion und Subsahara- Afrika. Die Menschen sehen sich zu Migration gezwungen, weil sie sich nicht mehr ernähren können und deshalb ihr Überleben nicht mehr gewährleistet ist.
- Die Wahrscheinlichkeit, durch eine Naturkatastrophe vertrieben zu werden, war 2015 60% höher als vor vier Jahrzehnten, also 1975.
- Klimaflüchtlinge stehen nicht unter dem Schutz der Flüchtlingskonvention. D.h. wir hatten im Jahr 2015 19.5 Millionen schutzlose Binnenflüchtlinge aufgrund von Naturkatastrophen.
- Globalisierung begünstigt insofern die Migration, weil sie Dank der Freiheit der Information auch Menschen, die in den entlegensten Teilen der Erde leben zeigen, wie der Lebensstandard in den reichen Industrieländern aussieht.
- Der Auslöser für Wirtschaftsmigration ist der Versuch der Armut oder Perspektivlosigkeit zu entkommen und damit die Möglichkeit, sich woanders ein besseres Leben zu suchen.
Literatur
- Castles S. et al. The Age of Migration: International Population Movement in the Modern World. Palgrave Macmillan Ltd., 2014.
- Daniels A, et al. Western Africa’s missing fish: the impacts of illegal, unreported and unregulated fishing and under-reporting catches by foreign fleets. www.odi.org.
- Deutsches Institut für Menschenrechte. Rohstoffe. http://www.institut-fuer-menschenrechte.de.
- Erklärung von Bern (Hrsg.) Rohstoff. Das Gefährlichste Geschäft der Schweiz. Salis Verlag, Zürich 2012 (vergriffen). Englische Fassung als kostenloses PDF unter www.publiceye.ch.
- Erklärung von Bern, jetzt Public Eye. Rohstoffhandel. www.publiceye.ch.
- Globalisierung und Migration. www.globalisierung-fakten.de
- International Organization for Migration. Global Migration Trends Factsheet. http://gmdac.iom.int.
- Mrasek V. UN-Klimakonferenz: Umweltflucht nimmt zu. http://www.deutschlandfunk.de
- Multiwatch. Internationaler Rohstoffhandel in der Schweiz: Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für die Entwicklungspolitik. http://www.multiwatch.ch
- Salvati F. Klimaflüchtlinge – die Leidtragenden der Erderwärmung. www.umweltnetz-schweiz.ch.
- Senegal: Der aussichtslose Kampf der Fischer. Ein Film von Shafagh Laghai, 2016. www.daserste.de.
- Stoisser H. Fluchtursache Wohlstand. NZZ, 31.3.2016.
- US Aid: The Importance of Wild Fisheries For Local Food Security: Senegal. https://rmportal.net
Redaktion: Magdalena Urrejola Balçak und Natalie Marty. Grafiken: Kollektiv fluchtpunkt Innenarchitektur & Szenografie